2
" Lela wußte von alledem nichts. Sie hatte nur Augen für Fritz, der sich jetzt zur Seite wandte, wo eine junge, blonde Frau am Flügel saß und zu ihm aufschaute. Als Lela dieses neue Gesicht sah, erstarrte etwas in ihr. Unwillkürlich rückte sie auf ihrem Stuhl etwas vor, um näher hinsehen zu können. Was war das? Diese Frau hatte Fritzens Gesicht – nur schöner, weicher, liebreizender, und jetzt lächelte sie ihm aufmunternd zu, und er lächelte mit einem kurzen Nicken des Kopfes zurück. Die beiden verstanden sich, und nun wußte Lela auf einmal, warum Fritz keine Angst hatte. Natürlich – sie war da, und wenn sie da war, war alles in Ordnung. "
― Christa Winsloe , The Child Manuela
4
" »Marie, was bedeutet denn das? Da ist ja ein Herz draufgezeichnet und ein Pfeil und drei Buchstaben: E. v. B.?«
Die Alte kam plötzlich ganz nahe an Manuela heran, so daß diese ihren Atem, der nach Kaffee roch, im Gesicht spürte. Eine ihrer braunen runzligen Hände legte sich auf Manuelas Arm, und lüstern sah sie ihr ins Gesicht, um die Wirkung ihrer Worte zu beobachten. »Was das heißt? Das heißt Elisabeth von Bernburg. Eine von den ›Damen‹. Die Damen, das sind die Erzieherinnen, müssen Sie wissen.« Und da Manuela noch kein Verständnis zeigte, flüsterte sie, als sei es ein tiefes Geheimnis:
»Das junge Fräulein, dem diese Kokarde früher gehört hat, die hat eben wahrscheinlich für Fräulein von Bernburg was übriggehabt.«
Manuela blickt etwas ratlos die Alte an. Diese reißt ihre Augen auf und, tausend Falten auf der Stirn, bohrt sie ihren unsauberen Blick in den des Kindes:
»Geliebt – geliebt hat sie sie.« "
― Christa Winsloe , The Child Manuela
5
" Elisabeth von Bernburg war die Tochter eines hohen Offiziers, wie Fräulein von Kesten, wie fast alle Erzieherinnen der Anstalt. Sie war achtundzwanzig Jahre alt und von diesen achtundzwanzig Jahren nun schon fünf Jahre im Stift, nachdem, wie man munkelte, ihre Verlobung mit einem jungen Dragonerleutnant zurückgegangen war, der Kühle und heftigen seelischen Abwehr des jungen Mädchens wegen, die den Leutnant veranlaßt hatten, kurz vor der Hochzeit die Verbindung zu lösen. Andere wieder wollten wissen, daß Fräulein von Bernburg selbst es gewesen war, die ihrem Verlobten erklärt hatte, sie könne ihn nicht und überhaupt niemals einen Mann heiraten. "
― Christa Winsloe , The Child Manuela
6
" In mehr als einer Nacht, wenn Fräulein von Bernburg das Licht im Schlafsaal gelöscht hatte und rings um sie her das Tuscheln begann und die kleinen elektrischen Taschenlampen unter den Kopfkissen hervorgeholt wurden, lag sie und quälte sich ab mit der Frage, was Fräulein von Bernburg nun wohl tat in ihrem Zimmer? Ob sie gern hier war? Ob sie sich nicht doch manchmal sehnte, einen Mann und Kinder zu haben? – Kinder zu haben – ja, das dachte auch Manuela sich schön. Einen Mann, nein, das konnte man sich schwer vorstellen – und Fräulein von Bernburg mit einem Mann, das war ein Gedanke, der sich nicht fassen ließ. "
― Christa Winsloe , The Child Manuela
8
" »Ich kann, ich kann nicht anders. Ich liebe Sie, liebes Fräulein von Bernburg! Ich liebe Sie, so, so sehr wie meine Mutter – ja und noch viel, viel mehr! Wenn ich Ihre Hände sehe, zieht es mich hin, sie zu fühlen. Ihre Stimme, wenn Sie rufen, packt mich, reißt mich – ich kann nichts dafür, ich liebe, liebe Sie!« "
― Christa Winsloe , The Child Manuela