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A Woman in Berlin: Eight Weeks in the Conquered City: A Diary QUOTES

10 " Der zweite russische Gast ist ein junger Kerl, siebzehn Jahre alt, Partisan gewesen und dann mit der kämpfenden Truppe westwärts gezogen. Er sieht mich mit streng gerunzelter Stirn an und fordert mich auf, zu übersetzen, daß deutsche Militärs in seinem Heimatdorf Kinder erstochen hätten und Kinder bei den Füßen gefaßt, um ihre Schädel an der Mauer zu zertrümmern. Ehe ich das übersetze frage ich: ‘Gehört? Oder selbst mit angesehen?’ Er, streng, vor sich hin: ‘Zweimal selber gesehen.’ Ich übersetze.

‘Glaub ich nicht’, erwidert Frau Lehmann. ‘Unsere Soldaten? Mein Mann? Niemals!’ Und Fräulein Behn fordert mich auf, den Russen zu fragen, ob die Betreffenden ‘Vogel hier’ (am Arm) oder ‘Vogel da’ (an der Mütze) hatten, das heißt, ob sie Wehrmacht waren oder SS. Der Russe begreift den Sinn der Frage sofort: den Unterschied zu machen, haben sie wohl in den russischen Dörfern gelernt. Doch selbst wenn es, wie in diesem Fall und ähnlichen Fällen, SS-Leute waren: Jetzt werden unsere Sieger sie zum ‘Volk’ rechnen und uns allen diese Rechnung vorhalten. Schon geht solches Gerede; ich hörte an der Pumpe mehrfach den Satz: ‘Unsere haben’s wohl drüben nicht viel anders gemacht.’

Schweigen. Wir starren alle vor uns hin. Ein Schatten steht im Raum. Das Baby weiß nichts davon. Es beißt in den fremden Zeigefinger, es kräht und quietscht. Mir steigt ein Klumpen in die Kehle. Das Kind kommt mir wie ein Wunder vor, rosa und weiß mit Kupferlöckchen blüht es in diesem wüsten, halb ausgeräumten Zimmer, zwischen uns verdreckten Menschen. Auf einmal weiß ich, warum es den Krieger zum Kindchen zieht. "

Marta Hillers , A Woman in Berlin: Eight Weeks in the Conquered City: A Diary