Home > Work > Wer wir waren
1 " Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, voller Informationen, aber ohne Erkenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erfahrung. So gingen wir, von uns selbst nicht aufgehalten. "
― Roger Willemsen , Wer wir waren
2 " Dass wir nicht mehr können, erliegen, dass wir unrettbar sind, in der Kapitulation leben, das sagten wir nicht, wir fühlten es bloß. "
3 " Wir waren die, die verschwanden. Wir lebten als der Mensch, der sich in der Tür umdreht, noch etwas sagen will, aber nichts mehr zu sagen hat. "
4 " Wir erwachen im Goldenen Zeitalter der Ruhelosen und werden sagen können: Wenn wir in den Städten auf die Straße traten, hatte der Kampf um unsere Aufmerksamkeit schon eingesetzt. Die Fassaden schrien uns an, die Nackten umgarnten uns in den Auslagen, immer gab es etwas Hingeräkeltes, Schmeichlerisches, das uns besser gefallen wollte als alles sonst auf der Welt. Alles Großaufnahme, alles äußerste Steigerungsform, und wir dazwischen, die umkämpften Abgekämpften. Dass wir nicht mehr können, erliegen, dass wir unrettbar sind, in der Kapitulation leben, das sagten wir nicht, wir fühlten es bloß, und es gab Waren dagegen, käufliche Stimmungen und Versprechen. Der Mensch für sich, er hat sein Recht verwirkt, es auch draußen zu sein. Die Außenwelt betritt er nur unter Verzicht auf dieses aufgeriebene, kaum mehr souveräne Ich. "
5 " Die letzte Epoche der Utopie hat begonnen, und wie alle Ressourcen wird auch die Zukunft knapp. Am Ende aller Berechnungen ist sie eben keine gänzlich unbekannte mehr. Was kommt, kommt dann nicht als Utopie, sondern als Spekulationsobjekt der Realpolitik, und da die wahren Paradiese ohnehin jene sind, die wir verloren haben, stellen sich viele diese ideale Zukunft schon vor als die Wiederkehr des Vergangenen oder schlicht als Erlösung. So gesehen hat die alte Zukunft keine Zukunft. "
6 " Unsere Existenzform ist die Rasanz. Das ist das Therapeutische am Leben im Medium des Smartphones. Wenn wir in den Städten auf die Straße traten, hatte der Kampf um unsere Aufmerksamkeit schon eingesetzt. (...) Alles Großaufnahme, alles äußere Steigungsform, und wir dazwischen, die umkämpften Abgekämpften. "
7 " Ja, wir wussten viel und fühlten wenig. Wir durften es nicht fühlen und hörten doch T. S. Elliot fragen: "Where is the wisdom we lost in knowledge? Where is the knowledge we lost in information?".Hörten es und häuften mehr Informationen auf. Als bräuchten wir zum Handeln einen neuen Klimabericht, einen Schadensbericht über die Weltmeere, den Regenwald, die grassierende Armut. Aber aus all den Fakten ist keine Praxis entsprungen, die auf der Höhe der drohenden Zukunft wäre.Das Gefühl ist ein schlechter Ratgeber, sagen wir immer noch - als ob der gesunde Menschenverstand ein besserer wäre! - und stärken unser Immunsystem durch Bilder vom Schwund der Menschen, der ertrinkenden, zerbombten, ausgesetzten Menschen, die wir in keine Erzählung bringen, nicht weiterdenken, nicht weiter fühlen wollen. (Seite 26-27) "