Home > Author > Melinda Nadj Abonji
1 " »Meine Zarte, bekommt dir der Schnaps nicht? Aber du fällst in Arme, die täglich in der Erde buddelnm und Zorka lacht, hustet. Du bist umsonst gekommen, Prinzessin! Du suchst etwas, was es in dieser Welt nicht gibt. Hier regiert der Lauf der Welt, kapiert? Der arme Scheißer bleibt arm, der reiche Pinkel genießt die Aussicht auf die Ewigkeit! Und die Moral? Die schöne Moral ist geizig und hat es lieber bequem. Bei uns bekommt die Moral Keuchhusten oder weiche Knie! Zorka kickt das Gartentor auf.« "
― Melinda Nadj Abonji , جندي السلحفاة
2 " Als hätte ich damals schon geahnt, dass es in diesem Haus nicht nur nach Zigaretten, Kaffee, Schweiß und Eisen roch, sondern nach Schicksal - wie erhaben und furchterregend es doch klingt, das Schicksal, unabänderlich, groß, die von Gott geschickte Fügung; und wie verlogen, alles einer das menschliche Leben lenkenden Macht zuzuschieben, die mit der eigenen Verantwortung, dem eigenen kleinen Leben nichts zu tun hat, und ins Allmächtige auszuweichen, wenn es darum ginge, menschliche Antworten auf menschliche Fragen zu finden. Mittlerweile weiß ich, dass oft von Schicksal die Rede ist, wenn es eigentlich darum ginge, zu schweigen. Oder zu erzählen. Nein, damals habe ich nicht über das Schicksal nachgedacht. Ich fürchtete mich nur vor dem, was mich hinter dem Vorhang erwartete, und vermutlich ahnte ich, dass Armut nie folgenlos blieb. "