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Carina Bartsch QUOTES

8 " Vorsichtig streichelte ich durch das kaschmirfeine Fell. An der Seite spürte ich die zierlichen, kleinen Rippen und auf dem Rücken die Knöchelchen der Wirbelsäule. Der Körper war federleicht und fühlte sich sehr warm an, wahrscheinlich mitgebrachte Wärme von Elyas. Die Katze zu halten, war wie eine indirekte Berührung mit ihm.
...
»Wie heißt sie eigentlich?«
»Wir haben noch keinen Namen. Vielleicht fällt dir ja einer ein?«
Ich dachte angestrengt nach, zuerst vergeblich, doch dann war da auf einmal ein Lichtblick: Ich wusste wieder, woran mich die Augen erinnerten. Ich hatte sie nicht gesehen, ich hatte sie gelesen. Und es gab nur einen Menschen, der Augen so beschreiben konnte, dass man dachte, man hätte sie selbst gesehen.
»Ligeia«, sagte ich.
Meine Lieblingsgeschichte von Edgar Allan Poe.
»Ligeia?«, wiederholte Alena. »Das klingt toll. Wie kommst du darauf?«
Ich holte gerade Luft, um ihre Frage zu beantworten, da kam mir meine Lieblingsstimme zuvor.
»Sie war hochgewachsen, schlank, ja, in ihren letzten Tagen sogar sehr abgemagert«, sagte Elyas. Die Gesichter voller Verwunderung, drehten Sebastian und Alena den Kopf in seine Richtung. Ich dagegen wusste sofort, woher dieser Satz stammte.
»Bitte?«, fragte Alena.
»Es wäre vergebliche Mühe, wollte ich die Majestät, die ruhige Gelassenheit ihrer Haltung, die unbegreifliche Leichtigkeit und Elastizität ihres Ganges beschreiben. Sie kam und ging wie ein Schatten. Ihre Pupillen waren von strahlendstem Schwarz, von ebenholzfarbenen Wimpern tief überschattet, und die Brauen von leicht unregelmäßiger Zeichnung hatten die gleiche Farbe. Doch war das Seltsame, das ich in den Augen fand, unabhängig von ihrer Form, ihrer Farbe und ihrem Glanze – Der Ausdruck der Augen Ligeias. Wie lange Stunden habe ich über ihn nachgegrübelt, wie manche lange Sommernacht hindurch mich bemüht, ihn zu ergründen. Was war es, dieses unbestimmte Etwas, das, tiefer als in den Brunnen des Demokritos, auf dem Grunde der Augen meiner Geliebten verborgen lag? Was war es? Ich war wie besessen von dem leidenschaftlichen Wunsche, es zu enträtseln. Diese Augen. Diese großen, strahlenden, himmlischen Pupillen. Sie wurden für mich das Zwillingsgestirn der Leda, und ich war ihr eifrigster Sterndeuter.«
Elyas schloss. "

Carina Bartsch , Türkisgrüner Winter (Kirschroter Sommer, #2)

10 " »Schnuggi«, rief ich, doch Elyas reagierte nicht.
Der Typ lief mir einfach viel zu schnell. Es war schwer genug, einen Fuß erfolgreich vor den anderen zu setzen, an Tempo war dabei nicht einmal zu denken. Ich wusste nicht, warum Elyas ausgerechnet heute der Meinung war, er müsse einen neuen Rekord aufstellen.
»Niss soo schnell, Elyas … Hicks«
»Emely«, sagte er, stoppte und wandte sich zu mir um. »Wenn wir noch langsamer laufen, dann stehen wir.«
»Gar nich waahhr.«
»Doch, es ist die Wahrheit. Ich warte bereits auf die erste Schnecke, die dich anhupt.« Er harrte aus, bis ich auf gleicher Höhe zu ihm war, und lief weiter. Nur wenige Schritte später bildete ich schon wieder das Schlusslicht.
Linker Fuß vor – rechter Fuß vor. So schwer konnte das doch nicht sein? Es erforderte meine gesamte Konzentration und war trotzdem nicht von Erfolg gekrönt. Im Gegenteil, denn im nächsten Augenblick bekam ich den Beweis, wie schwer es tatsächlich war. »Huch!«, brachte ich nur noch hervor, als ich mit dem Fuß umknickte, ins Rudern geriet, gnadenlos das Gleichgewicht verlor und in eine Hecke plumpste.
»Emely?«, hörte ich Elyas‘ Stimme in der Ferne fragen. »Wo bist du?«
»Hicks.«
Erst hörte ich Schritte, dann wackelte die Hecke ein zweites Mal. »Emely! Was … Gott, wenn man dich nur eine Sekunde aus den Augen lässt. Ist dir etwas passiert?«
Ich kicherte. »Mr. Busch hat mich aufgefangen … Verstehs su? Mr. Busch!«
Elyas seufzte und beugte sich näher über mich. »Hast du dir wehgetan?«
»Weiß nisch?«
»Mädchen, Mädchen«, sagte er. »Komm her.« "

Carina Bartsch , Türkisgrüner Winter (Kirschroter Sommer, #2)